Du denkst, ein Arbeitszeugnis ist so etwas wie ein netter Bonus? Klingt erst mal logisch – schließlich sprechen deine Qualifikationen für sich. Aber hier in Deutschland funktioniert das anders. Tief durchatmen: Ich erkläre dir, warum das deutsche Arbeitszeugnis so besonders ist und wie du es für deine Karriere nutzen kannst.
Keine Sorge, das Arbeitszeugnis verstehen ist machbar. Ich zeige dir, warum das deutsche Arbeitszeugnis einzigartig ist, wie du erkennst, ob deins wirklich gut ist, und was du tun kannst, wenn es nicht stimmt. Mit echten Beispielen aus meiner Praxis – denn nach 25 Jahren Jobcoaching weiß ich: Auch wenn du es unglaublich findest, das Arbeitszeugnis ist tatsächlich eines der wichtigsten Puzzleteile deutscher Arbeitskultur.
Fakten für schnelle Lesende:
- In Deutschland hast du ein gesetzliches Recht auf ein Arbeitszeugnis (§109 GewO).
- Es gibt zwei Arten: das einfache und das qualifizierte Arbeitszeugnis.
- Ein qualifiziertes Zeugnis bewertet Leistung und Verhalten – oft in codierter Sprache.
- Fehlende Aussagen können mehr sagen als geschriebene Worte.
- Rund 88 % der deutschen Arbeitszeugnisse sind „gut“ oder besser.
- Du musst dein Zeugnis selbst anfordern – und hast das Recht auf Korrektur.
1. Warum das deutsche Arbeitszeugnis so wichtig ist
Ein deutsches Arbeitszeugnis ist dein offizieller Nachweis für berufliche Leistung. Verstehst du es richtig, wird es zu deinem Türöffner.
Ich erinnere mich noch gut an meinen Klienten Rashid aus Pakistan. Junior-Ingenieur, ausgezeichnete Qualifikationen, perfekt formatierte Bewerbung. Trotzdem: fast nur Absagen. Sein Problem? Das Arbeitszeugnis seiner letzten Stelle.
Denn Fakt ist: In Deutschland ist ein Arbeitszeugnis kein Empfehlungsschreiben, das du mal eben weglassen kannst. Es ist der Nachweis für deine berufliche Leistung. Jeder Personaler erwartet es – und wenn es fehlt, fragen sich alle: Warum?
Das deutsche Arbeitszeugnis folgt dabei strengen Regeln. Es muss schriftlich sein, wohlwollend formuliert und trotzdem der Wahrheit entsprechen. Klingt widersprüchlich? Das ist es auch – und genau deshalb ist es so wichtig, zwischen den Zeilen zu lesen. Denn echte Bewertungen verstecken sich oft hinter freundlich klingenden Formulierungen.
Bei Rashid stand da: „Er erledigte seine Aufgaben zu unserer Zufriedenheit.“ Für ihn klang das positiv. Für deutsche Personaler bedeutet es: Note 4. Ausreichend.
Was ich daraus gelernt habe: Das Arbeitszeugnis verstehen ist für internationale Bewerber und Bewerberinnen super wichtig. Es ist dein Türöffner – oder dein Stolperstein. Du entscheidest, indem du lernst, es richtig zu lesen und für dich zu nutzen.
Gemeinsam haben wir Rashids Zeugnis analysiert, die problematischen Formulierungen identifiziert und eine Korrektur beim Arbeitgeber durchgesetzt. Heute arbeitet er erfolgreich als Entwicklungsingenieur – mit einem Zeugnis, das seine Kompetenzen wirklich widerspiegelt
Was ist was? Arbeitszeugnis, Recommendation Letter, Reference Letter & Co.
Empfehlungsschreiben aus dem Ausland ersetzen kein deutsches Arbeitszeugnis. Verschiedene Länder, verschiedene Regeln – aber in Deutschland brauchst du das Original.
„Aber ich habe doch ein Recommendation Letter!“ – höre ich oft. Verstehe ich absolut. In vielen Ländern reichen persönliche Empfehlungen. Deutschland tickt anders – und das ist okay, wenn du weißt, wie.
Was ich in 25 Jahren Jobcoaching gelernt habe: Das Empfehlungsschreiben oder Recommendation Letter ist persönlich, freiwillig, hat keine Standards. Schreibt dir dein Professor oder Kollege – nett, aber nicht das, was deutsche Arbeitgeber erwarten.
Das Arbeitszeugnis dagegen ist ein deutsches Original. Streng geregelt, formal korrekt, mit versteckten Bewertungen. Es gibt sogar verschiedene Arten – einfach (nur Fakten) oder qualifiziert (mit Leistungsbeurteilung).
Die wichtigsten Unterschiede auf einen Blick:
Letzte Woche erst wieder erlebt: Meine Klientin Priya aus Indien hatte drei fantastische Recommendation Letters von Professoren. Trotzdem wurde sie im Vorstellungsgespräch gefragt: „Und wo ist Ihr Arbeitszeugnis?“ Zum Glück hatten wir das vorher besprochen.
Es gibt noch ein zwei andere Begriffe, die leicht mit dem deutschen Arbeitszeugnis verwechselt werden:
- Referenz (Reference Letter): Etwas formeller, aber immer noch freiwillig. Hilft dir international – in Deutschland weniger.
- Beschäftigungsnachweis: Bestätigt nur: Du warst da, von wann bis wann. Keine Bewertung, keine Details. Den brauchst du übrigens oft schon während deines Jobs – für die Wohnungssuche, Kindergartenplatz oder die Ausländerbehörde. Praktisch, aber ersetzt kein Zeugnis.
Mein Tipp: Sammle alle Dokumente – aber verstehe den Unterschied. Nur das deutsche Arbeitszeugnis öffnet dir hier wirklich Türen. Und keine Sorge: Auch wenn dein erster Arbeitgeber in Deutschland noch kein perfektes Zeugnis schreibt, kannst du das lernen und für die Zukunft besser machen.
Einzigartig deutsch: Das Arbeitszeugnis
Kein anderes Land regelt Arbeitszeugnisse so detailliert wie Deutschland. Es gibt feste Vorgaben, ein eigenes Notensystem – und oft codierte Formulierungen.
Ehrlich gesagt: Das deutsche Arbeitszeugnis ist so typisch deutsch wie Brot und Bürokratie. Während in anderen Ländern Empfehlungen informell sind oder gar fehlen, verlangt der deutsche Arbeitsmarkt fast schon ritualisiert ein qualifiziertes Arbeitszeugnis.
Was macht das deutsche System so besonders? Es ist nicht nur ein Dokument – es ist ein ganzes System. Und dieses System ist in Europa einzigartig.
Das steckt dahinter: Gesetzlich ist das im §109 der Gewerbeordnung (GewO) geregelt: „Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis.“ Das heißt: Es besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Ausstellung. Klare Erwartungen an Inhalt, Aufbau und Sprache.
Hier wird es für internationale Fachkräfte zur Stolperfalle. Denn diese gesetzlichen Vorgaben machen es schwierig, das Arbeitszeugnis zu verstehen. Obwohl das Zeugnis formal positiv sein muss (Stichwort: wohlwollend), kann es zwischen den Zeilen viel kritisch enthalten. Deutsche Personalverantwortliche „lesen“ diese Zwischentöne – internationale Bewerber und Bewerberionnen meist nicht.
Ein echtes Fallbeispiel aus meiner Beratung:
Vor einem Jahr kam David zu mir, ein erfahrener Software-Entwickler aus Kanada. Er suchte nach einem neuen Job und hatte schon mehrfach nachgefragt, aber nie eine Antwort bekommen. Das Thema Arbeitszeugnis hatte er irgendwann aufgegeben, weil es ihm emotional zu unangenehm wurde.
Das Problem: Ohne Zeugnis blieb er im Bewerbungsprozess immer wieder hängen. Personaler fragten sich: „Warum hat er keins? Was will er verbergen?“
Ich habe dann direkt bei seiner alten Firma angerufen. Innerhalb von drei Tagen lag das Dokument vor. Und siehe da: Seine Chancen verbesserten sich sofort.
Die Lektion: In Deutschland ist das Arbeitszeugnis ein Karrierefaktor – und kein freiwilliges Extra. Du hast ein Recht darauf, also nutze es auch.
Was macht das deutsche System besonders?
6 einzigartige Aspekte
Gesetzlicher Anspruch
Du hast ein Recht auf dein Zeugnis nach §109 GewO – kein Arbeitgeber kann dir das verweigern.
Pflicht zur Schriftform
Muss schriftlich sein, auf Firmenpapier, mit Unterschrift – E-Mails reichen nicht.
Wohlwollend & wahr
Paradox: Muss positiv klingen UND der Wahrheit entsprechen – deshalb die codierten Formulierungen.
Notenlogik zwischen den Zeilen
Versteckte Bewertungen von 1-6: „stets zur vollsten Zufriedenheit“ = sehr gut, „zur Zufriedenheit“ = ausreichend.
Beurteilung von Leistung, Verhalten, Führung
Qualifizierte Zeugnisse bewerten 3 Bereiche: Wie gut warst du? Wie warst du als Kollege? Konntest du führen?
Standardstruktur mit festem Aufbau
Einleitung → Tätigkeiten → Leistung → Verhalten → Schlussformel. Jede Abweichung bedeutet etwas.
Nach 25 Jahren HR-Erfahrung kann ich sagen: Diese Systematik ist komplex, aber sie gibt auch Sicherheit. Wenn du das System verstehst, kannst du es für dich nutzen.
Einfach oder qualifiziert – wo ist der Unterschied?
Ein einfaches Zeugnis beschreibt nur Dauer und Tätigkeit. Ein qualifiziertes Zeugnis bewertet zusätzlich deine Leistung und dein Verhalten – und ist bei Bewerbungen in Deutschland fast immer erforderlich.
„Welches Zeugnis soll ich denn verlangen?“ – diese Frage höre ich oft. Meine klare Antwort: Auf den ersten Blick wirken beide Varianten ähnlich: Firmenbriefkopf, Abschlussformel, Unterschrift. Aber der Inhalt macht den entscheidenden Unterschied.
Letzte Woche erst wieder erlebt: Mein Klient Ahmed aus Marokko hatte nur ein einfaches Zeugnis von seinem ersten Job in Deutschland. „Reicht das nicht?“, fragte er mich. Die ehrliche Antwort: Nein, leider nicht. Für qualifizierte Fach- und Führungskräfte reicht es einfach nicht aus.
Einfaches Arbeitszeugnis
Dieses Dokument ist eine reine Tatsachenbestätigung. Es enthält:
- Dauer des Arbeitsverhältnisses
- Position und Stellenbezeichnung
- eventuell Aufgabenbeschreibung
Was fehlt: Jede Form von Bewertung. Es wird nicht gesagt, ob du gut gearbeitet hast, wie du mit Kollegen umgegangen bist oder ob du zuverlässig warst. Deshalb eignet es sich nur für Aushilfsjobs, sehr kurze Anstellungen oder Positionen ohne Verantwortungsbereich.
Wann es nicht ausreicht: Für qualifizierte Fach- und Führungskräfte ist es meist nicht ausreichend. Personaler denken sich: „Warum hat er/sie kein qualifiziertes Zeugnis? Gab es Probleme?“
Qualifiziertes Arbeitszeugnis
Das ist der Standard für fast alle Bewerbungen im deutschen Arbeitsmarkt. Es enthält zusätzlich:
- eine Bewertung deiner fachlichen und sozialen Kompetenzen
- Aussagen zur Zusammenarbeit mit Kolleg:innen, Vorgesetzten, Kund:innen
- ein Fazit und eine Schlussformel mit Interpretation
Hier beginnt die Feinleserei – und der „Code“, über den wir später sprechen. Denn wie dein Verhalten beschrieben wird, kann mehr über deine Eignung sagen als jede Zahl im Lebenslauf.
Typisch ist auch die Schlussformel mit Wünschen für die Zukunft. Klingt harmlos, oder? Aber ob dort steht „wir bedauern sein Weggang“, „wir danken für die Mitarbeit“ oder „wir wünschen viel Erfolg“ – das macht einen großen Unterschied.
Was ich aus 25 Jahren Praxis weiß: In der Praxis hilft ein qualifiziertes Zeugnis auch dabei, zwischen Bewerbern mit ähnlichen Lebensläufen zu unterscheiden. Es wird deshalb von fast allen Unternehmen verlangt – auch wenn das viele Bewerbende nicht wissen.
Merkmal | Einfaches Zeugnis | Qualifiziertes Zeugnis |
---|---|---|
Beschäftigungsdauer | ✅ | ✅ |
Tätigkeitsbeschreibung | ✅ (kurz) | ✅ (ausführlich) |
Leistungsbewertung | ❌ | ✅ |
Verhalten im Team | ❌ | ✅ |
Führungskompetenz (falls zutreffend) | ❌ | ✅ |
Bewerbungstauglich | Nur bedingt | Ja, Standard |
Mein Tipp: Fordere immer das qualifizierte Zeugnis. Auch wenn du denkst „Das war ja nur ein kurzer Job“ – in Deutschland zeigt es, dass du die Spielregeln kennst. Und keine Sorge: Du hast das Recht darauf.
Was gesetzlich geregelt ist (und warum das zählt)
Das deutsche Arbeitszeugnis muss wahr, vollständig und wohlwollend sein – so steht es im Gesetz. Diese Vorgaben sind der Grund für viele indirekte Formulierungen und Streitfälle.
„Warum schreiben die nicht einfach, was sie denken?“ Diese Frage höre ich oft von meinen internationalen Klienten. Die Antwort liegt im deutschen Recht – und in einem ziemlichen Dilemma, das Arbeitgeber haben.
Das Dilemma verstehen: In Arbeitszeugnissen darf nicht einfach „aus dem Bauch heraus“ geschrieben werden – es unterliegt festen Regeln. Diese sind im §109 der Gewerbeordnung (GewO) sowie durch zahlreiche Gerichtsurteile definiert. Für dich als Beschäftigte bedeutet das: Du hast Rechte – und die solltest du kennen.
Vor zwei Jahren hatte ich eine Klientin, Sarah aus den USA. Ihr erstes deutsches Zeugnis war katastrophal: „Sie bemühte sich, die Aufgaben zu erfüllen.“ Sarah fand das höflich formuliert. Ich musste ihr erklären: Das ist die versteckte Note 5 – mangelhaft. Aber das Gute: Wir konnten das Zeugnis korrigieren lassen, weil es gegen die Wohlwollens-Regel verstieß und ihre Teamleiterin inzwischen versetzt worden war.
1. Wahrheitspflicht
Jedes Zeugnis muss sachlich korrekt sein. Ein Arbeitgeber darf deine Leistung nicht schlechter darstellen, als sie war. Gleichzeitig gilt: Auch übertriebene Lobhudeleien („Gefälligkeitszeugnisse“) sind nicht erlaubt, wenn sie die Realität verzerren.
2. Wohlwollen
Ein Zeugnis soll deine berufliche Zukunft nicht erschweren. Deshalb muss es „wohlwollend“ formuliert sein. Das klingt gut – bedeutet aber auch: Negative Aussagen werden oft so formuliert, dass sie für Eingeweihte lesbar, für Außenstehende aber harmlos klingen.
3. Vollständigkeit
Ein qualifiziertes Zeugnis muss bestimmte Inhalte enthalten – unter anderem:
- Beschreibung der Tätigkeiten
- Beurteilung von Leistung und Verhalten
- ggf. Führungskompetenz
- Schlussformel
Fehlt ein Abschnitt, wirkt das verdächtig. Besonders wenn z. B. „Teamfähigkeit“ oder „Führungskompetenz“ gar nicht erwähnt werden.
4. Das Notensystem hinter den Formulierungen
Die Sprache im Arbeitszeugnis ist nicht willkürlich – sie folgt einer versteckten Logik, die Schulnoten entspricht:
Zeugnisformulierung | Entspricht Note |
---|---|
„zu unserer vollsten Zufriedenheit“ | 1 – sehr gut |
„stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ | 2 – gut |
„zu unserer Zufriedenheit“ | 3 – befriedigend |
„im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ | 4 – ausreichend |
„bemühte sich, die Aufgaben zu erfüllen“ | 5 – mangelhaft |
Das Problem: Viele Arbeitnehmer:innen (und internationale Bewerber:innen sowieso) interpretieren diese Sätze anders – und reichen unbewusst ein negatives Zeugnis ein.
Diese rechtliche Dreiecksbeziehung zwischen der Forderung nach einem wahren und gleichzeitig wohlwollenden Zeugnis, mit den vielen formalen Anforderungen und dann auch noch diesem System mit den „Schulnoten“ ein Albtraum. Es ist, als wollte man aus einem Quadrat mit Macht einen Kreis machen – und das ist einfach nicht möglich.
ABER dennoch lebt es. Seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten ist dieses komplexe System ein fester Bestandteil der deutschen Arbeitskultur. Wenn Beschäftigte kein Zeugnis haben oder mit einer negativen Bedeutung, dann wird das Gespräch mit dem nächsten Arbeitgeber schwierig.
Mein Rat: Verstehe dieses System als das, was es ist – ein kultureller Code. Und wie jeden Code kannst du ihn lernen und für dich nutzen.
Die geheimen Codes: Was wirklich gemeint ist
Deutsche Arbeitszeugnisse enthalten eine eigene Sprache – mit Formulierungen, die harmlos klingen, aber Kritik transportieren. Wer sie nicht kennt, riskiert Missverständnisse im Bewerbungsprozess.
„Er war stets pünktlich.“ Klingt positiv, oder? Tatsächlich ist es ein Warnsignal. Denn wenn das Einzige, was betont wird, Pünktlichkeit ist, fragt sich jeder Recruiter: Was war mit Leistung, Verhalten, Teamfähigkeit?
Letzte Woche saß eine Klientin aus Brasilien vor mir und freute sich über diesen Satz mit der Pünktlichkeit in ihrem Zeugnis. Ich musste ihr leider die Wahrheit sagen und habe dann angefangen, ihr von den Codes zu erzählen. Das mache ich für dich jetzt auch:
Willkommen in der Welt der Zeugnis-Codes.
Das deutsche Arbeitszeugnis muss wohlwollend und gleichzeitig wahr sein – ein Widerspruch, der zu einer Art Geheimsprache geführt hat. Dabei werden eigentlich kritische Aussagen so formuliert, dass sie positiv klingen. Wer diese Sprache nicht kennt, versteht das Zeugnis nicht – und schickt im schlimmsten Fall unbeabsichtigt ein Negativsignal an potenzielle Arbeitgeber.
Ehrlich gesagt, habe ich in meinem Arbeitsleben nur ab und zu mal ein richtig schlechtes Arbeitszeugnis gesehen – aber ich erkläre dir die wichtigsten Codes.
Beispiele für typische Codierungen:
Leistung & Arbeitsqualität:
- „Er zeigte Verständnis für die ihm übertragenen Aufgaben.“
→ Er verstand sie, aber setzte sie nicht um. - „Er bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden.“
→ Er scheiterte trotz Mühe.
Verhalten & Teamfähigkeit:
- „Er war gesellig und trug zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.“
→ Häufiges Trinken oder Tratschen am Arbeitsplatz. - „Er verfügte über ein gesundes Selbstbewusstsein.“
→ Arrogant und schwer im Umgang.
Zuverlässigkeit & Arbeitszeit:
- „Wir wünschen ihm für die Zukunft viel Erfolg.“ → Gut, dass er geht – Hauptsache, er hat anderswo mehr Glück.
Diese Formulierungen sind kein Zufall. Sie sind das Ergebnis von jahrzehntelanger Praxis – und von zahlreichen Gerichtsurteilen, in denen um einzelne Wörter gestritten wurde.
Ein Fall aus meiner Beratung zeigt, wie kritisch das sein kann:
Mein Klient Marcus war kurz vor Ablauf seiner Probezeit entlassen worden. Er dachte, sein Zeugnis sei in Ordnung – schließlich stand da nichts Negatives drin. Tatsächlich war es voller versteckter Hinweise auf mangelnde Leistung.
Das Problem: Er glaubte, ein gutes Zeugnis erhalten zu haben, und verstand nicht, warum er nur Absagen bekam. Erst durch unsere Analyse wurde klar: Dieses Zeugnis schadete mehr, als es nützte.
Die Lösung: Wir haben das Zeugnis erst einmal in die Schublade gelegt, denn Marcus wollte erst einmal seinen B2-Kurs machen und aktiv an seinen Sprachkenntnissen arbeiten. Heute ist er erfolgreich im Beruf angekommen und weiß: Ein schlechtes Zeugnis ist kein Todesurteil, wenn man weiß, was zu tun ist.
Was ich daraus gelernt habe: Diese Codes zu kennen ist für internationale Bewerber:innen super wichtig. Es geht nicht darum, paranoid zu werden, sondern einfach die Spielregeln zu verstehen. Wenn du weißt, worauf du achten musst, kannst du reagieren – und dein Zeugnis aktiv verbessern lassen.
Mein Tipp: Lass dein Zeugnis von jemandem prüfen, der diese Sprache spricht. Denn ein gutes Zeugnis öffnet Türen – ein schlecht codiertes schließt sie.
Die Macht der Auslassung: Wenn ein Wort fehlt
Nicht nur was im Arbeitszeugnis steht, zählt – sondern auch, was fehlt. Das bewusste Weglassen von Aussagen ist eine subtile, aber wirkungsvolle Strategie der Kritik.
Manchmal ist ein Arbeitszeugnis auf den ersten Blick einwandfrei: schön formuliert, wohlklingend, freundlich. Und doch stimmt etwas nicht – nämlich das, was fehlt.
„Aber da steht doch nichts Schlechtes drin!“ Diese Aussage höre ich oft von meinen Klienten. Stimmt – und trotzdem kann ein Zeugnis problematisch sein. Denn was ich in 25 Jahren HR-Erfahrung gelernt habe: Manchmal sagt das, was NICHT erwähnt wird, mehr als das, was schwarz auf weiß steht.
In deutschen Arbeitszeugnissen gehört ein gewisser Standardumfang dazu: Tätigkeitsbeschreibung, Leistungsbewertung, Aussagen zu Sozialverhalten und ggf. Führungskompetenz. Wenn einer dieser Punkte fehlt, kann das mehr aussagen als jede schlechte Formulierung.
Typische „gefährliche Lücken“ im Überblick:
Ein Verkäufer erhält ein ansonsten lobendes Zeugnis – aber nirgendwo wird erwähnt, dass er „ehrlich“ oder „vertrauenswürdig“ im Umgang mit Geld war. Für Personalverantwortliche ist das ein Alarmsignal: Warum wurde diese Selbstverständlichkeit weggelassen?
Eine Projektmanagerin hat mehrere Jahre Berufserfahrung und war in leitender Position tätig. Doch im Zeugnis taucht kein Hinweis auf Führungsverantwortung oder Mitarbeiterführung auf. Merkwürdig, nicht wahr? Die Folge kannst du dir vorstellen: Im Vorstellungsgespräch hagelt es Fragen zur Teamleitung, zur Kommunikation, zur sozialen Kompetenz – immer mit dem Verdacht im Hinterkopf, dass da etwas nicht stimmte und sie in ihrem Job Probleme mit ihrem Team hatte.
Bei einem Kundenberater: Perfekte Leistungsbewertung, aber kein Wort zur Teamfähigkeit oder zum Umgang mit Kollegen. Das lässt Personalentscheider denken: „War er ein Einzelkämpfer? Gab es Konflikte?“
Warum passiert das?
Weil direkte Kritik im Zeugnis verboten ist, nutzen Arbeitgeber – bewusst oder unbewusst – das Stilmittel der Auslassung. Das macht es schwer für Bewerbende, ihren Marktwert realistisch einzuschätzen. Und es erschwert die Bewerbung, ohne dass klar ist, warum.
Was ich aus der Praxis kenne: Bei Fatima war genau das passiert. Obwohl sie erfolgreich Projekte geleitet hatte, fehlte jeder Hinweis auf ihre Führungsqualitäten. Warum? Weil es in ihrer alten Firma Konflikte gegeben hatte – nicht mit der Arbeit, sondern mit der Art der Kommunikation.Die Lösung: Wir haben das Zeugnis analysiert, die Lücken identifiziert und eine Korrektur beantragt. Der Arbeitgeber war kooperativ – hatte die Auslassungen gar nicht bewusst gemacht. Heute hat Fatima ein vollständiges Zeugnis und einen neuen Job in der Projektleitung.Der beste Schutz: Eine unabhängige Prüfung – idealerweise noch vor dem Versand an potenzielle Arbeitgeber. Denn ein vollständiges Zeugnis mit allen relevanten Punkten öffnet Türen, während Lücken Fragen aufwerfen.
Deine Rechte als Arbeitnehmer: Zeugnis anfordern & korrigieren
In Deutschland hast du ein Recht auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis – aber du musst es selbst einfordern. Und du darfst Korrekturen verlangen, wenn etwas fehlt oder falsch ist.
Das deutsche Arbeitsrecht gibt dir als Arbeitnehmer:in eine starke Position. Doch viele internationale Fachkräfte kennen ihre Rechte nicht – und verzichten dadurch unbewusst auf bessere Jobchancen.
„Ich traue mich nicht, nach dem Zeugnis zu fragen.“ Auch das höre ich ab und zu. Verstehe ich total – in vielen Kulturen gilt es als unhöflich, den Arbeitgeber um etwas zu bitten. Aber hier in Deutschland ist das anders: Du hast nicht nur das Recht, sondern solltest es auch nutzen.
1. Du hast ein Recht auf ein Zeugnis – aber keine automatische Ausstellung
Laut §109 GewO steht jedem Arbeitnehmer ein Zeugnis zu. Aber: Du musst es selbst verlangen. Viele Unternehmen stellen es nicht automatisch aus – gerade, wenn du vor Ablauf der Probezeit gehst oder die Trennung unangenehm verlief.
Mein Tipp: Fordere es direkt schon im Kündigungsgespräch bei deiner Vorgesetzen an – oder direkt in der Personalabteilung. Spätestens am letzten Arbeitstag solltest du es in den Händen halten – oder spätestens in der ersten Woche danach an. Je länger du wartest, desto schwieriger wird es.
2. Das Zeugnis muss vollständig und wohlwollend sein
in Unternehmen darf dich nicht bewusst „ausbremsen“, indem es ein unvorteilhaftes Zeugnis ausstellt. Du hast das Recht, ein vollständiges und objektives Dokument zu erhalten – mit allen wichtigen Aussagen zu Leistung, Verhalten und ggf. Führung.
Was das bedeutet: Wenn wichtige Punkte fehlen oder Formulierungen unklar sind, kannst du eine Überarbeitung verlangen.
3. Du kannst Änderungen vorschlagen – auch mehrfach
Wenn du ein Zeugnis erhältst, das unklar oder unvollständig ist, kannst du aktiv um Anpassung bitten. Besonders bei Formulierungen oder fehlenden Passagen ist das üblich. Die meisten Personalabteilungen sind bereit, auf gute Vorschläge einzugehen – solange der Inhalt sachlich bleibt.Aus der Praxis: Oft reicht schon ein höfliches Gespräch mit konkreten Verbesserungsvorschlägen.
4. Du darfst einen Anwalt einschalten
Wenn du keine Einigung mit deinem Arbeitgeber erreichst, kannst du rechtliche Schritte einleiten. Arbeitsrechtsanwälte prüfen dein Zeugnis und helfen bei der Durchsetzung von Korrekturen. Oft reicht schon ein anwaltliches Schreiben, um Bewegung in die Sache zu bringen.
Ein Fall aus meiner Beratung:
Ein Klient hatte nach mehreren Jahren als Ingenieur eine neue Stelle gesucht. Doch das Zeugnis seines alten Arbeitgebers ließ lange auf sich warten – trotz mehrfacher Anfragen. Die Situation war emotional belastend, er fühlte sich schikaniert. Ich habe dann als Coach bei der Firma angerufen – und innerhalb weniger Tage kam das Zeugnis. Die Lehre daraus: Dranbleiben. Und sich Hilfe holen, wenn nötig.
Checkliste: Deine Rechte beim Arbeitszeugnis
- Zeugnis muss wohlwollend und vollständig sein
- Anspruch auf qualifiziertes Zeugnis (§109 GewO)
- Du darfst Formulierungen korrigieren lassen
- Bei Streit: Recht auf anwaltliche Unterstützung
- Tipp: Frühzeitig anfordern, am besten noch vor dem letzten Arbeitstag
Wenn du tiefer einsteigen möchtest, dann findest du noch Einzelheiten bei der Gewerkschaft Verdi.
Wenn das Zeugnis schlecht ist: Strategien und Tipps
Nicht jedes Arbeitsverhältnis endet im Guten. Und nicht jedes Zeugnis bringt die Anerkennung, die du dir wünschst. Die Frage ist: Was tun, wenn dein Zeugnis „zwischen den Zeilen“ negativ ist – oder einfach objektiv schwach?
1. Erst prüfen, dann handeln
Viele Bewerber:innen erkennen die problematischen Formulierungen im Zeugnis nicht – besonders, wenn sie nicht mit dem deutschen System vertraut sind. Lass dein Zeugnis von einer unabhängigen Person prüfen: Coach, Anwalt, erfahrene Kolleg:innen.
Warum das wichtig ist: Manchmal ist ein Zeugnis besser als gedacht – oder schlechter als vermutet. Ohne klare Analyse wirst du unsicher und das spüren Personaler im Gespräch.
2. Zeugnis anpassen lassen
Viele Probleme lassen sich mit einem Korrekturvorschlag lösen. Wichtig ist, nicht emotional zu reagieren, sondern sachlich Verbesserungen vorzuschlagen. Wenn du klare, realistische Änderungswünsche vorlegst, hast du gute Chancen.
Mein Tipp: Formuliere konkrete Verbesserungsvorschläge, anstatt nur zu kritisieren. Die meisten Arbeitgeber sind kooperativ, wenn sie merken, dass du professionell vorgehst.
3. Zeugnis nicht einreichen (wenn es mehr schadet als hilft)
In besonderen Fällen kann es strategisch klüger sein, ein Zeugnis gar nicht mitzuschicken – zum Beispiel, wenn es codierte Formulierungen enthält, die dich bei jeder Bewerbung ausbremsen.
Wichtig: Das ist eine Notlösung für extreme Fälle. Normalerweise erwarten deutsche Arbeitgeber ein Zeugnis.
Ein Beispiel aus meiner Beratung:
Ein pakistanischer Ingenieur war nach der Probezeit entlassen worden. Obwohl seine Bewerbungsunterlagen stark waren, kam er nie über die erste Runde hinaus – sobald das Zeugnis angehängt war. Er glaubte, es sei gut formuliert. Erst nach genauer Analyse wurde klar: Das Zeugnis war ein echtes Hindernis. Wir entschieden, es vorerst wegzulassen und seinen Fokus auf einen B2-Sprachkurs zu legen. Heute arbeitet er erfolgreich in Deutschland.
4. Proaktiv kommunizieren
Wenn du ein problematisches Zeugnis hast, kannst du im Bewerbungsschreiben oder im Gespräch selbstbewusst erklären, warum du es nicht beilegst – z. B. weil du dich in der Probezeit noch in der Einarbeitung befandest oder weil es ein interner Wechsel ohne formelle Beurteilung war.
Ein Fall aus meiner Beratung:
Vor einem Jahr kam Karim zu mir – ein talentierter Software-Entwickler aus Syrien. Er war nach der Probezeit entlassen worden und sein Zeugnis war… nun ja, diplomatisch formuliert. Obwohl seine Bewerbungsunterlagen stark waren, kam er nie über die erste Runde hinaus – sobald das Zeugnis angehängt war.
Was wir gemeinsam gemacht haben: Wir haben das Zeugnis analysiert, erkannt, dass es wirklich problematisch war, und eine klare Strategie entwickelt. Anstatt es zu verstecken, haben wir es korrigieren lassen und parallel seinen Fokus auf einen intensiven Deutschkurs gelegt.
Das Ergebnis: Heute arbeitet Karim erfolgreich als Senior Developer. Sein neues Zeugnis ist exzellent – und das alte spielt keine Rolle mehr.
Die Lektion: Ein schlechtes Zeugnis ist ein Stolperstein, kein Grabstein. Mit der richtigen Strategie wird es zu einem Lernmoment, der dich stärker macht.
Tipp-Box: 5 Schritte bei einem schlechten Zeugnis
- Sachlich prüfen lassen (Coach oder Anwalt)
- Korrekturvorschläge formulieren
- Nicht emotional argumentieren
- Zeugnis ggf. weglassen und begründen
- Alternativen betonen (z. B. Sprachkurse, Projekte, Weiterbildungen)
Mein Rat: Sieh ein schwaches Zeugnis als Chance, zu zeigen, wie professionell du mit Herausforderungen umgehst. Das beeindruckt Arbeitgeber mehr als ein perfektes Zeugnis ohne Lernkurve.
Entspannt bleiben: Die meisten Zeugnisse sind gut
Trotz aller Geheimcodes und Feinheiten: Rund 88 % der deutschen Arbeitszeugnisse sind mindestens „gut“. Wer sich informiert und vorbereitet, braucht sich keine Sorgen zu machen.
Die ganze Thematik rund um das Arbeitszeugnis kann einschüchtern: Codes, Formulierungen, Rechtsansprüche – das wirkt auf viele internationale Talente wie ein Minenfeld. Aber: In der Praxis verlaufen die meisten Zeugnisse unkompliziert und positiv.
„Hilfe, ich habe so viel über schlechte Zeugnisse gelesen – ist meins auch schlecht?“ Diese Panik kenne ich von vielen meiner Klienten. Letzte Woche erst wieder: Amara aus Ghana saß vor mir und war völlig aufgelöst wegen ihres ersten deutschen Zeugnisses. Dabei war es richtig gut formuliert!
Die beruhigenden Fakten:
Laut einer Studie des IBE aus dem Jahr 2011 sind 88 % der ausgestellten Arbeitszeugnisse in Deutschland mindestens mit der Note „gut“ bewertet worden. Die Zahl dürfte heute noch höher liegen, denn viele Unternehmen achten bewusst darauf, ausscheidenden Mitarbeitenden keine Steine in den Weg zu legen.
Der Grund ist auch kulturell geprägt: In Deutschland gilt das Prinzip „Reisende soll man nicht aufhalten“. Das heißt: Wer geht, wird mit einem respektvollen Zeugnis verabschiedet – selbst wenn es intern Konflikte gab.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Und natürlich gibt es Personalabteilungen, die sehr genau auf Formulierungen achten. Aber wer sich frühzeitig informiert, sein Zeugnis bewusst einfordert und es prüfen lässt, kann entspannt bleiben.
Ein Beispiel aus meiner Praxis: Vor einigen Jahren kam David zu mir – ein Projektmanager aus Kanada, der nach zwei Jahren in Deutschland den Job wechseln wollte. Er hatte online so viel über „Zeugnis-Codes“ gelesen, dass er völlig verängstigt war. Sein Zeugnis? Einwandfrei formuliert, ehrlich positiv, keine versteckten Fallen. Er hatte sich umsonst Sorgen gemacht.
Was ich daraus gelernt habe: Gerade internationale Fachkräfte profitieren enorm, wenn sie das System verstehen und sich strategisch vorbereiten. Dann wird das Arbeitszeugnis nicht zur Hürde – sondern zum Hebel für den nächsten Karriereschritt.Der Grund ist auch kulturell geprägt: In Deutschland gilt das Prinzip „Reisende soll man nicht aufhalten“. Das heißt: Wer geht, wird mit einem respektvollen Zeugnis verabschiedet – selbst wenn es intern Konflikte gab.
Faktenbox: Darum ruhig bleiben
- ✅88 % der Zeugnisse sind „gut“ oder besser
- ✅Wohlwollen ist gesetzlich vorgeschrieben
- ✅Du kannst Korrekturen einfordern
- ✅Zeugnisse sind verhandelbar
- ✅Mit guter Vorbereitung kein Risiko
FAQ – Häufige Fragen zum Arbeitszeugnis
Was ist wichtiger: das Zeugnis oder das Vorstellungsgespräch?
Ehrlich gesagt: Beides ist wichtig. Aber ein durchschnittliches Zeugnis mit einer überzeugenden Persönlichkeit im Gespräch schlägt ein perfektes Zeugnis mit schwacher Performance im Interview.
Mein Rat: Informiere dich, aber mach dich nicht verrückt. Verstehe das System, fordere dein Zeugnis rechtzeitig an, lass es prüfen – und dann konzentriere dich auf das, was wirklich zählt: deine Fähigkeiten und deine Geschichte zu erzählen.
Wann sollte ich mein Arbeitszeugnis anfordern?
Am besten in den letzten Wochen vor dem Austritt. Idealerweise sprichst du es schon am Tag der Kündigung an – sonst kann sich die Ausstellung lange verzögern.
Aus der Praxis: Viele meiner Klienten warten zu lange und ärgern sich dann, weil das Zeugnis erst Wochen später kommt. Mein Tipp: Frühzeitig fragen, höflich nachfassen.
Was ist, wenn mein Arbeitgeber mir kein Zeugnis ausstellt?
Du hast ein gesetzliches Anrecht (§109 GewO). Du kannst mehrmals freundlich nachhaken – und im Zweifel auch rechtlich vorgehen. Die meisten Arbeitgeber sind kooperativ, wenn sie höflich aber bestimmt erinnert werden.
Was ich oft erlebe: Manchmal ist es nur Vergesslichkeit in der HR-Abteilung. Ein freundlicher Anruf wirkt oft Wunder.
Muss ich mein Arbeitszeugnis bei jeder Bewerbung mitschicken?
Nein, wichtig ist immer das zuletzt ausgestellte Zeugnis. In manchen Fällen (z.B. Probezeit) kann es sinnvoll sein, es wegzulassen – oder erst später im Prozess vorzulegen.
Strategisch gedacht: Wenn dein letztes Zeugnis schwach ist, focus auf Referenzen und erkläre die Situation transparent im Gespräch.
Woran erkenne ich, ob mein Zeugnis gut oder schlecht ist?
An bestimmten Formulierungen, Auslassungen und dem Gesamteindruck. Lass es im Zweifel von jemandem prüfen, der sich mit dem deutschen System auskennt.
Mein Rat: Viele internationale Fachkräfte können die Codes nicht lesen. Eine professionelle Einschätzung spart dir Zeit und Frust bei Bewerbungen.
Kann ich mein Zeugnis selbst vorschlagen oder schreiben?
Ja, viele Arbeitgeber freuen sich über einen Entwurf – das spart Zeit und reduziert Missverständnisse. Du kennst deine Tätigkeiten am besten.
Praxis-Tipp: Orientiere dich an der Standard-Struktur und bleibe bei den Fakten. Übertreibungen fallen negativ auf.
Was passiert, wenn ich gar kein Zeugnis habe?
Dann solltest du umgehend eines anfordern – jedenfalls, wenn deine letzte Tätigkeit in Deutschland war. Fehlt es dauerhaft, kann das ein Nachteil bei Bewerbungen sein – außer du erklärst die Situation transparent.
Lösungsweg: Auch nach Jahren kannst du noch ein Zeugnis anfordern. Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, solange die Firma existiert.
Wie lange ist ein Arbeitszeugnis gültig?
Unbegrenzt – aber je aktueller, desto besser. Ein fünf Jahre altes Zeugnis wirkt weniger relevant als ein aktuelles. Personaler schauen vor allem auf die letzten 2-3 Stationen.
Was zählt: Lückenlose Dokumentation deiner beruflichen Entwicklung. Sammle alle Zeugnisse – auch von kürzeren Jobs.
Muss ein Arbeitszeugnis immer positiv sein?
Es muss „wohlwollend“ formuliert sein – aber ehrlich bleiben. Deshalb entstehen die berühmten Codes. Kritik wird versteckt, aber nicht komplett verschwiegen.
Die Realität: 88% aller deutschen Zeugnisse sind „gut“ oder besser. Mit guter Vorbereitung brauchst du dir keine Sorgen zu machen.
Mein Takeaway für dich: Verstehen, fordern, verbessern – das Zeugnis aktiv nutzen
Ein deutsches Arbeitszeugnis ist kein lästiges Pflichtpapier – sondern ein zentraler Karrierebaustein. Es bescheinigt nicht nur, wo und wie lange du gearbeitet hast, sondern sagt auch viel über deine Leistung, dein Verhalten und deine Zusammenarbeit im Team aus. Und ja, oft zwischen den Zeilen.Was ich in 25 Jahren HR-Erfahrung immer wieder sehe: Gerade internationale Fachkräfte unterschätzen die Bedeutung dieses Dokuments – oder interpretieren es falsch. Wer den „Code“ nicht kennt, riskiert unbeabsichtigt Absagen, obwohl alle anderen Bewerbungsunterlagen stimmen.
Deshalb lohnt es sich, das Thema proaktiv anzugehen:
- Fordere dein Zeugnis aktiv ein – und zwar rechtzeitig. Warte nicht bis zum letzten Tag. Je früher du fragst, desto entspannter läuft es.
- Lass es prüfen, bevor du es mitschickst. Eine unabhängige Einschätzung kann dir viel Frust bei Bewerbungen ersparen.
- Nutze dein Recht auf Korrektur, wenn etwas fehlt oder unklar ist. Du musst nicht jede Formulierung hinnehmen – sei aktiv und konstruktiv.
- Verstehe die Formulierungen – und nimm Auslassungen ernst. Was nicht gesagt wird, kann genauso wichtig sein wie das, was schwarz auf weiß steht.
Wenn du dein Zeugnis strategisch einsetzt, kann es dich nicht nur im deutschen Bewerbungsprozess stärken – sondern auch langfristig in deinem beruflichen Profil unterstützen.
Das Wichtigste: Du musst das nicht allein schaffen. Hol dir Feedback, lass dich beraten – und nutze das Arbeitszeugnis als Chance, deine Stärken zu zeigen. Denn darum geht es: zu zeigen, was du kannst und wer du bist.
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Du hast Fragen zu deinem Arbeitszeugnis oder brauchst Unterstützung bei deiner Jobsuche in Deutschland? Mit einem AVGS-Gutschein vom Jobcenter ist das Coaching für dich kostenfrei – ich zeige dir gerne, wie das funktioniert.
Lass uns sprechen – ich bin für dich da.
Über die Autorin

Nicola Pilz
DIPL.-KAUFFRAU | INTEGRATIONS- UND HR-EXPERTIN
Mit über 20 Jahren Erfahrung verbinde ich tiefes HR-Wissen mit echter Lebensnähe. Ich unterstütze internationale Fachkräfte dabei, sich im deutschen Arbeitsmarkt zurechtzufinden – mit Klarheit, Struktur und viel kultureller Empathie.
In meinen Coachings (AVGS-zertifiziert) geht es nicht nur um Bewerbungen – sondern darum, gesehen zu werden. Dazu ist das deutsche Arbeitszeugnis eine wichtige Facette. Ich erkläre dir die Spielregeln des Arbeitsmarkts so, dass du sie wirklich verstehst – und selbstbewusst anwenden kannst.
Meine Mission:
Deutschland menschlicher machen – und die Vielfalt sichtbar, die unser Land stärkt.
Mehr über mich und meine Arbeit findest du auf meiner Über-mich-Seite.